Der Himmel weint von Matthias Stark
– Frühsommerregen in Schulzenhof. Schulzenhof – welch eine Bedeutung hat dieser kleine brandenburgische Fleck für die Leser und Freunde der Bücher von Eva und Erwin Strittmatter.
Schulzenhof, ein unscheinbarer, idyllischer Teil der Gemeinde Dollgow war seit Mitte der fünfziger Jahre der Wohn-, Lebens- und Arbeitsort des Schriftstellerehepaares. Ein Ort, der noch heute seine eigene Magie entfaltet, ein Ort, der eine geheimnisvolle poetische Kraft ausstrahlt, die aus den Werken der beiden unvergessenen Autoren kommt. Hier, in diesem unscheinbaren Wiesental, wie die Strittmatters ihr Schulzenhof oft nannten, traf die große Geschichte, das Leben im Land auf den ganz persönlichen Lebensraum der zu den meistgelesenen Autoren der DDR gehörenden Strittmatters. Hier auf diesem Hof wurden die Kämpfe ausgetragen, die sich ergeben, wenn Konflikte familiärer, zwischenmenschlicher oder politischer Art eines „Bestsellerautorenpaares“ aufeinandertreffen und gelöst werden wollen. Ja, das waren sie zweifellos, Bestsellerautoren, obwohl es die in dem kleinen Land diesseits der Elbe als solche gar nicht gab. Und wer alles weilte schon an diesem Fleckchen Erde, was alles wurde hier besprochen, geplant, erdacht, verworfen, angefochten und, das ganz zu forderst, geschrieben und gedichtet.
Wir haben die Möglichkeit, den Strittmatterhof zu besuchen. Auf Einladung von Jakob Strittmatter dürfen wir uns umsehen an dem Ort, von dem die Quelle der literarischen Kraft stammt, mit der Eva und Erwin Strittmatter an ihrem Werk arbeiteten, um letztlich uns, ihre Leser und literarischen Freunde zu begeistern. Der jüngste Sohn der Strittmatters, Jakob und seine Frau begrüßen uns mit Kaffee und heißen Würstchen auf dem Hofgelände. Vorn am Eingang an der Straße, steht das legendäre „alte“ Haus, das Erwin Strittmatter in den fünfziger Jahren von seinem ersten Nationalpreis erwarb. Der Stall steht gegenüber, mit der „Stallstube“ darüber, in der Erwin schrieb und die jeder seiner Leser schon zu kennen glaubt. Die Pferde allerdings, von denen wir durch Erwins Bücher wissen, fehlen nun auf dem stillen Hof. Im hinteren Teil des Anwesens dann das neue Haus, in dem beide Schriftsteller seit den siebziger Jahren bis zu ihrem Tod lebten und arbeiteten. Dieses dürfen wir gemeinsam mit Jakob betreten.
In der Diele sind die Wände mit Bildern von Künstlerfreunden behangen. Unter ihnen Gemälde des Dresdner Malers Hubertus Giebe, auch diese kennt der eingeweihte Strittmatterfreund schon aus den literarischen Berichten, mit denen beide von ihrem Wirken Kunde gaben. Es ist eine ehrfurchtsvolle Stille, die hier herrscht, seit uns die beiden Autoren verlassen haben. Man glaubt, dass sie nur kurz fort sind und jeden Moment zurückkommen werden, um sich gemeinsam mit uns an den gemütlichen Tisch zu setzen. Jakob zeigt uns die Plätze, die Erwin und Eva vorbehalten waren. Die Küche nebenan ist so geblieben, wie sie Eva Strittmatter hinterlassen hat. Man ist ergriffen von der einfachen Schönheit, von der Magie dieses Wohnhauses, weil man spürt, dass hier die Kunst, vor allem die Literatur zu Hause war. Überall stehen Regale mit Büchern, hier wohnten Menschen, für die Literatur, für die das Schreiben das Leben war. Jakob macht uns dann auf etwas ganz Spezielles aufmerksam. In der Ecke der Diele steht das berühmte Ziertischchen vom Kulka-Großvater, welches im ersten Teil des Ladens vorwitzig als erstes Möbelstück aus dem Umzugswagen klettert. Literarische Details, die hier greifbar real werden. So real, wie sie auch im Bohsdorfer Laden greifbar sind.
Links von der Diele befindet sich Evas Zimmer. Hier lebte die Dichterin, umgeben von unzähligen Büchern, hier schaffte sie jene poetischen Kostbarkeiten, die uns Leser bis heute verzaubern. Gedichte von Eva Strittmatter zu lesen und sie in das eigene Leben einzulassen, bedeutet, immer wieder einen ungeheuren Schatz zu heben. Leise ist die Stimme von Eva Strittmatter von einer CD zu hören, sie liest aus ihren Gedichten und man kann hier, in ihrem Zimmer nur still zuhören und sich ergreifen lassen. Faszinierend, die Stimme dieser Frau, in ihrem Zimmer zu hören…
Dann führt uns Jakob in das Allerheiligste des Hauses. Zu Lebzeiten von Erwin Strittmatters hatten nur ganz wenige Menschen Gelegenheit, sein Reich im Obergeschoß zu betreten. Selbst die Söhne durften nur ausnahmsweise da hinauf und von den Besuchern waren es nur ganz Auserwählte. Eine hölzerne Treppe führt nach oben. Dann stehen wir in Erwin Strittmatters Wohn- und Arbeitszimmer. Auch hier ist alles voller Bücher. In diesem Raum also, mit dem herrlichen Rundblick durch die Fenster auf die Schulzenhofer Wiesen, beschrieb uns Erwin Strittmatter seine Welt. Das erstaunlichste ist, dass man diesen Raum zu kennen glaubt, weil man die Bücher des Autors kennt, der hier lebte, stritt, liebte und schrieb, schrieb, schrieb. Hier entstanden seine Schriften, entstand auch die „Laden-Trilogie“, die uns Lesern so viel Vergnügen bereitet. Hier entstand das Werk eines Schriftstellers, das fortleben wird, trotz aller Stürme und Anfechtungen, weil es von bleibender literarischer Qualität ist, weil es die Menschen berührt und weil es wahrhaftig ist. Auch in Erwins Zimmer ist seine Stimme von einer CD zu hören. Er liest aus seinem Schaffen, das so eng an diesen Ort geknüpft ist. Wir können seine Schreibmaschine sehen, seinen Sekretär, an dem er Geschäftliches erledigte, seinen Arbeitsplatz, seinen Sessel und sein Bett, in dem er im Beisein von Sohn Jakob im Jahr 1994 von uns ging. In diesem Raum führte er Tagebuch über sein Leben und über die Umstände im Land, hier war er der „Aufschreiber“, der er immer sein wollte. An den Wänden hängen Schwarzweißfotos aus vergangenen Tagen. Darunter Freunde wie Sänger Peter Schreier, die Schriftstellerkollegen Galsan Tschinag und Hermann Kant, aber auch der Großvater aus Bohsdorf mit dem Anderthalbmetermütterchen und immer wieder Eva, fotografiert und auch gemalt. Wirft man einen Blick auf Erwin Strittmatters Bücherregal, so ist man nicht nur von der Fülle sondern auch der Vielfalt der Literatur fasziniert. Die Naturverbundenheit und die Belesenheit, von der wir Leser schon immer wussten, findet hier ihren Ausdruck. Wir dürfen noch ein paar Augenblicke in den Räumen unseres Dichters verweilen, uns umschauen. Es ist zweifellos ein erhabener, ein für immer bleibender Eindruck, den wir von hier mitnehmen werden. Nie waren wir der Quelle so nah wie heute.
Wir bedanken uns herzlich bei Jakob Strittmatter und seiner Frau für den sehr persönlichen Einblick in das Leben seiner Familie mit einem kleinen Büchlein aus eigener Feder. Aber was heißt das schon, geschriebene Worte hierher zu bringen, wo die Poesie, die Dichtung ja gewissermaßen zu Hause ist.
Wir besuchen noch die beieinanderliegenden Gräber des Dichterpaares auf dem nahen Friedhof. Worte von Puschkin zieren Evas Grabstein. Sie liebte den russischen Dichter, wie wir aus ihrem Werk wissen. Evas Worte wiederum sind auf Erwins Grabstein zu lesen. Er und sie, sie und er, eine Symbiose der Dichtung und Poesie, ein Leben in Gegensätzlichkeit und Gleichklang , vereint im Leben wie im Tode. Die frischen Blumen und die gepflegten Gräber der beiden großen Schreiber, die unser Leben auch nach ihrem Tod begleiten, lassen uns Abschied nehmen von der Magie dieses Tales, eines unvergleichbaren literarischen Ortes unserer Tage.
Regenschwer hängen die Bäume über dem kleinen Gräberfeld von Schulzenhof. Über den nassen Wiesen ist Stille. Wir gedenken unserer beiden Schriftsteller und der Himmel weint Tränen…
Wir haben die Möglichkeit, den Strittmatterhof zu besuchen. Auf Einladung von Jakob Strittmatter dürfen wir uns umsehen an dem Ort, von dem die Quelle der literarischen Kraft stammt, mit der Eva und Erwin Strittmatter an ihrem Werk arbeiteten, um letztlich uns, ihre Leser und literarischen Freunde zu begeistern. Der jüngste Sohn der Strittmatters, Jakob und seine Frau begrüßen uns mit Kaffee und heißen Würstchen auf dem Hofgelände. Vorn am Eingang an der Straße, steht das legendäre „alte“ Haus, das Erwin Strittmatter in den fünfziger Jahren von seinem ersten Nationalpreis erwarb. Der Stall steht gegenüber, mit der „Stallstube“ darüber, in der Erwin schrieb und die jeder seiner Leser schon zu kennen glaubt. Die Pferde allerdings, von denen wir durch Erwins Bücher wissen, fehlen nun auf dem stillen Hof. Im hinteren Teil des Anwesens dann das neue Haus, in dem beide Schriftsteller seit den siebziger Jahren bis zu ihrem Tod lebten und arbeiteten. Dieses dürfen wir gemeinsam mit Jakob betreten.
In der Diele sind die Wände mit Bildern von Künstlerfreunden behangen. Unter ihnen Gemälde des Dresdner Malers Hubertus Giebe, auch diese kennt der eingeweihte Strittmatterfreund schon aus den literarischen Berichten, mit denen beide von ihrem Wirken Kunde gaben. Es ist eine ehrfurchtsvolle Stille, die hier herrscht, seit uns die beiden Autoren verlassen haben. Man glaubt, dass sie nur kurz fort sind und jeden Moment zurückkommen werden, um sich gemeinsam mit uns an den gemütlichen Tisch zu setzen. Jakob zeigt uns die Plätze, die Erwin und Eva vorbehalten waren. Die Küche nebenan ist so geblieben, wie sie Eva Strittmatter hinterlassen hat. Man ist ergriffen von der einfachen Schönheit, von der Magie dieses Wohnhauses, weil man spürt, dass hier die Kunst, vor allem die Literatur zu Hause war. Überall stehen Regale mit Büchern, hier wohnten Menschen, für die Literatur, für die das Schreiben das Leben war. Jakob macht uns dann auf etwas ganz Spezielles aufmerksam. In der Ecke der Diele steht das berühmte Ziertischchen vom Kulka-Großvater, welches im ersten Teil des Ladens vorwitzig als erstes Möbelstück aus dem Umzugswagen klettert. Literarische Details, die hier greifbar real werden. So real, wie sie auch im Bohsdorfer Laden greifbar sind.
Links von der Diele befindet sich Evas Zimmer. Hier lebte die Dichterin, umgeben von unzähligen Büchern, hier schaffte sie jene poetischen Kostbarkeiten, die uns Leser bis heute verzaubern. Gedichte von Eva Strittmatter zu lesen und sie in das eigene Leben einzulassen, bedeutet, immer wieder einen ungeheuren Schatz zu heben. Leise ist die Stimme von Eva Strittmatter von einer CD zu hören, sie liest aus ihren Gedichten und man kann hier, in ihrem Zimmer nur still zuhören und sich ergreifen lassen. Faszinierend, die Stimme dieser Frau, in ihrem Zimmer zu hören…
Dann führt uns Jakob in das Allerheiligste des Hauses. Zu Lebzeiten von Erwin Strittmatters hatten nur ganz wenige Menschen Gelegenheit, sein Reich im Obergeschoß zu betreten. Selbst die Söhne durften nur ausnahmsweise da hinauf und von den Besuchern waren es nur ganz Auserwählte. Eine hölzerne Treppe führt nach oben. Dann stehen wir in Erwin Strittmatters Wohn- und Arbeitszimmer. Auch hier ist alles voller Bücher. In diesem Raum also, mit dem herrlichen Rundblick durch die Fenster auf die Schulzenhofer Wiesen, beschrieb uns Erwin Strittmatter seine Welt. Das erstaunlichste ist, dass man diesen Raum zu kennen glaubt, weil man die Bücher des Autors kennt, der hier lebte, stritt, liebte und schrieb, schrieb, schrieb. Hier entstanden seine Schriften, entstand auch die „Laden-Trilogie“, die uns Lesern so viel Vergnügen bereitet. Hier entstand das Werk eines Schriftstellers, das fortleben wird, trotz aller Stürme und Anfechtungen, weil es von bleibender literarischer Qualität ist, weil es die Menschen berührt und weil es wahrhaftig ist. Auch in Erwins Zimmer ist seine Stimme von einer CD zu hören. Er liest aus seinem Schaffen, das so eng an diesen Ort geknüpft ist. Wir können seine Schreibmaschine sehen, seinen Sekretär, an dem er Geschäftliches erledigte, seinen Arbeitsplatz, seinen Sessel und sein Bett, in dem er im Beisein von Sohn Jakob im Jahr 1994 von uns ging. In diesem Raum führte er Tagebuch über sein Leben und über die Umstände im Land, hier war er der „Aufschreiber“, der er immer sein wollte. An den Wänden hängen Schwarzweißfotos aus vergangenen Tagen. Darunter Freunde wie Sänger Peter Schreier, die Schriftstellerkollegen Galsan Tschinag und Hermann Kant, aber auch der Großvater aus Bohsdorf mit dem Anderthalbmetermütterchen und immer wieder Eva, fotografiert und auch gemalt. Wirft man einen Blick auf Erwin Strittmatters Bücherregal, so ist man nicht nur von der Fülle sondern auch der Vielfalt der Literatur fasziniert. Die Naturverbundenheit und die Belesenheit, von der wir Leser schon immer wussten, findet hier ihren Ausdruck. Wir dürfen noch ein paar Augenblicke in den Räumen unseres Dichters verweilen, uns umschauen. Es ist zweifellos ein erhabener, ein für immer bleibender Eindruck, den wir von hier mitnehmen werden. Nie waren wir der Quelle so nah wie heute.
Wir bedanken uns herzlich bei Jakob Strittmatter und seiner Frau für den sehr persönlichen Einblick in das Leben seiner Familie mit einem kleinen Büchlein aus eigener Feder. Aber was heißt das schon, geschriebene Worte hierher zu bringen, wo die Poesie, die Dichtung ja gewissermaßen zu Hause ist.
Wir besuchen noch die beieinanderliegenden Gräber des Dichterpaares auf dem nahen Friedhof. Worte von Puschkin zieren Evas Grabstein. Sie liebte den russischen Dichter, wie wir aus ihrem Werk wissen. Evas Worte wiederum sind auf Erwins Grabstein zu lesen. Er und sie, sie und er, eine Symbiose der Dichtung und Poesie, ein Leben in Gegensätzlichkeit und Gleichklang , vereint im Leben wie im Tode. Die frischen Blumen und die gepflegten Gräber der beiden großen Schreiber, die unser Leben auch nach ihrem Tod begleiten, lassen uns Abschied nehmen von der Magie dieses Tales, eines unvergleichbaren literarischen Ortes unserer Tage.
Regenschwer hängen die Bäume über dem kleinen Gräberfeld von Schulzenhof. Über den nassen Wiesen ist Stille. Wir gedenken unserer beiden Schriftsteller und der Himmel weint Tränen…