Ein Geburtsort will seinen Schriftsteller nicht ehren, das kommt vor. Aber Fragen wirft das auf, wenn man ihn dort jahrzehntelang geehrt hat.
Am Geld kann es nicht liegen. Denn eine Ehrung könnte geschehen, ohne daß sie Spremberg einen einzigen Cent kostete. Mehr als ein Verehrer Strittmatters fände sich, der auf ihn eine Laudatio ohne Vortragshonorar halten könnte. Vielleicht die Autorin der neuen Strittmatter-Biographie, die in Arbeit ist. Doch man meint anscheinend, er sei dessen nicht wert, seine Rolle in der NS-Zeit sei ungeklärt und er habe sich beiden Diktaturen des 20. Jahrhunderts angedient.
War die Benennung einer Schule und einer Promenade an der Spree mit dem Namen Strittmatter also ein Irrtum, oder geschah sie seinerzeit auf Wunsch einer Partei? Waren nicht die Väter und Mütter der Stadt stolz auf diesen Mann, der ihnen in seinen Büchern so aus dem Herzen sprach?
Natürlich nahm er gerne einen Nationalpreis an. Wie viele Spremberger schafften das? Und: wie viele Spremberger gab es damals, die dem System nicht dienten? Wollen wir jetzt untersuchen, wer von uns DDR-Bürgern freiwillig oder widerwillig mitarbeitete? Wer von uns Alten war in der NS-Zeit so klug und so tapfer, sich dem Rausch des Großdeutschen Reiches zu entziehen und nicht mitzumachen? Wenn wir da ein nachträgliches Urteil fällen, verbrennen wir uns die Finger.
Daher hat auch der Verband Deutscher Schriftsteller von Berlin-Brandenburg den Sprembergern vorgeschlagen, sich einmal zu überlegen, was man von Autoren im Blick auf ihr politisches Verhalten erwartet.
Damit wir die Maßstäbe nicht zu hoch ansiedeln: Goethe diente seinerzeit als Innen-Minister im Herzogtum Weimar, hatte Spitzel in Jena an der Universität und stimmte für die Todesstrafe einer Kindsmörderin. Aber die Weimarer feiern ihn trotzdem noch heute.
Nur wegen seiner Werke!
Alles Gute zum Strittmatterjahr! Herzlichst Ihr Henning Gloege
An die Lausitzer Rundschau, Kultur