Lausitzer Rundschau vom 15. Januar, Arikel von Annett Igel

Galsan Tschinag und sein Lehrer Bohsdorf: Der tuwinische Dichter Galsan Tschinag hat die Ehrenmitgliedschaft im Erwin-Strittmatter-Verein glücklich angenommen.

Galsan Tschinag und sein Lehrer
Bohsdorf Der tuwinische Dichter Galsan Tschinag hat die Ehrenmitgliedschaft im Erwin-Strittmatter-Verein glücklich angenommen. Bereits im Jahr 1975 kündigte Eva Strittmatter in ihrem Gedicht „Wurzeln“ an: „In Ulan-Bator lebt so ein Dichter, der Galsan heißt, der wird einmal groß.“ Dass er die Ehrenmitgliedschaft im Bohsdorfer Verein nicht geringer schätzt als das Bundesverdienstkreuz, das er im Jahr 2002 bekam, liegt an seinem Dichterlehrer.
15.01.2010Er hat als Stammesoberhaupt die Tuwa-Nomaden in ihre Heimat im Hohen Altai zurückgeführt, sorgt mit einer großen Pflanzaktion dafür, dass wieder mehr Bäume in seinem Land wachsen und das Wasser zurückkehrt, und er macht sich große Sorgen um den Frieden in der Welt. Und doch nimmt er sich Zeit für jede Begegnung, schaut den Menschen in die Augen und schreibt ihnen Sprüche in die Bücher.

Galsan Tschinag, als Irgit Schynykbaj-oglu Dshurukuwaa im Jahr 1943 im Altai-Gebirge geboren, brach drei Tage vor seinem Termin in der Aula des Spremberger Erwin-Strittmatter-Gymnasiums gegen 4 Uhr in der kältesten Hauptstadt der Welt bei minus 44 Grad Celsius zu seiner Reise auf. Er liest in mehreren Orten in Deutschland, leitet in der Schweiz einen Kursus als Heiler, wirbt für das Baumprojekt. An seinen Lehrer Erwin Strittmatter denkt er dabei oft. Bevor er nach dem Germanistikstudium in Leipzig im Jahr 1968 in die Mongolei zurückkehrte, lebte er eine Weile bei den Strittmatters, schaute dem Schriftsteller über die Schulter, fand Eva Strittmatter beim Dichten zurückgezogen in einer Ecke und bewunderte, wie sie sich um die Familie und die vielen Gäste kümmerte. „Die Mongolen haben ein falsches Bild vom Dichter: Er ist wie ein Bohemien, hat Probleme mit Alkohol, wäscht sich nicht. Wie gut man als Dichter doch leben kann, dass habe ich von Strittmatter gelernt. Er war immer sauber angezogen, hatte Pferde, Häuser, Autos und konnte trotzdem gute Bücher schreiben. Ich habe ihn bewundert und sehr beneidet“, sagt Tschinag. Ja, die Poesie habe er schon in sich getragen, „aber durch Erwin Strittmatter war ich gefestigt.“

Genau und spöttisch sei Strittmatter gewesen. „Er belächelte mich manchmal, bewunderte mich aber auch, weil mir das Schreiben damals so leicht von der Hand ging. Er hatte Recht damit, dass Zeiten kommen, in denen das Schreiben schwerer wird. Seinen Söhnen brachte ich das Lassowerfen bei.“ Immer wieder habe ihm Strittmatter empfohlen, an seinen Texten zu feilen, und er erreichte, dass im Jahr 1981 unter dem Titel „Eine tuwinische Geschichte und andere Erzählungen“ Tschinags erstes Buch in Ost-Berlin erschien. Inzwischen liegen 28 Romane, Lyrik- und Erzählbände vor.

Von Annett Igel