Im Vorfeld ein Beitrag für unsere Mitgliederversammlung am 2.2.13 von unserem Mitglied Hanni Dillan

Ein Beitrag von unserem Mitglied Hanni Dillan
Liebe Literaturfreunde,

seit 2011 bin ich Mitglied im Erwin-Strittmatter-Verein in Bohsdorf. Seither habe ich schon viele interessante, genauso “strittmatterverrückte” Menschen kennengelernt und so freue ich mich immer sehr auf jedes Wiedersehen. Nun steht im Februar ein Treffen mit dem Schauspieldirektor des Staatstheaters Cottbus und Regisseur, Mario Holetzeck sowie dem Darsteller des Großvaters, Michael Becker, an und so möchte ich im Vorfeld allen Interessierten meine Gedanken zur Aufführung der Theaterfassung von Holger Teschkes “Der Laden” mitteilen.

Wie so viele meiner Generation (Jahrgang 1952) bin ich zu Erwin Strittmatter über sein Buch “Tinko” gekommen, das damals Unterrichtsstoff war. Ich erinnere mich noch, dass ich es in einem ”Ruck” gelesen habe, was viele meiner Klassenkameraden damals nicht verstanden haben. Seither war und bin ich vom “Bauchgefühl” her mit ihm verbunden. (Mein Herz allerdings hat Jahre später Eva Strittmatter mit ihren Gedichten erobert.) Natürlich las ich später dann “Ole Bienenkopp” und natürlich auch sein Buch “Der Laden”. So lief ich also voller Vorfreude und Neugier zur Uraufführung des Ladens am 1. Abend – was würde mich wohl erwarten? Seit Tagen hatte ich die Bilder der Verfilmung des Romans vor Augen – wie mag wohl die Geschichte auf der Bühne dargestellt werden? Wird sie mich genauso anrühren – ja, genauso war es!

1. Abend
Von der ersten Minute an war ich wieder mittendrin in der Geschichte, sicher auch deshalb, weil mir die Sprache teilweise so vertraut ist, da sie von meinen Großeltern gesprochen worden ist. Das Bühnenbild bot einen einfachen, klaren Hintergrund für das hinreißend spielende Ensemble, das nicht nur mich, sondern sicher auch alle anderen Zuschauer wunderbar unterhalten hat. Der lebenserfahrene, schlitzohrige Großvater, die bauernschlaue Großmutter, die bei jedem Streit in Ohnmacht fallende Mutter – alle Figuren wurden von den Darstellern mit großer Freude und ganzem Einsatz gespielt. Allen voran Oliver Breite als Esau Matt, der schon früh nach dem Sinn seines Daseins auf Erden fragt und fühlt, dass er ein Dichter werden muss: “Schreiben will ich!”. Am Ende des 1. Abends habe ich eine Ahnung davon, wie man durch Erlebnisse aus Kinder- und Jugendjahren geprägt wird.

2. Abend
“Wer bin ich – was bin ich?” und “Wo warst Du im Krieg – was hast Du getan?”. Diese immer wiederkehrenden bohrenden Fragen nach dem eigenen Ich spiegeln das ganze Drama des Lebens von Esau Matt wider. Alles, was seinem Ziel, dem Schreiben, im Weg stand, schob er rücksichtslos beiseite. Wie das von Oliver Breite gespielt wurde, war für mich herausragend. Aufgewühlt und nachdenklich verließ ich das Theater. Ich weiß auch nach diesem Abend noch immer nicht, was Wahrheit ist und was Dichtung im Leben des Esau Matt, sprich: Erwin Strittmatter.

Was ich weiß ist, dass ich Erwin Strittmatter für sein literarisches Werk nach wie vor hoch verehre und deshalb schließe mit den Worten von Eva Strittmatter: “Aber das “Große” kann stehenbleiben!”

Herzlichst
Hanni Dillan