Ein Artikel aus der Lausitzer Rundschau vom 23. März, geschrieben von Annett Igel, zu der Lesung am Samstag.
Günther Drommer kämpft sich durch Strittmatters Krieg
Spremberg Günther Drommer hat seine Recherchen zu Strittmatters Krieg nachgeholt. „Fast am Ende meines siebenten Jahrzehnts angekommen, will ich weiteren Einzelheiten aus dem Leben Erwin Strittmatters nicht mehr nachforschen. Weder solchen, die seine Schuld vermehren, noch solchen, die ihn entlasten. Ich werde mir stattdessen immer wieder eines seiner Bücher zur Hand nehmen und in den tausend Sätzen seiner Gedanken und Geschichten lesen“, so der Biograf am Samstag in Spremberg. Der Berliner kam auf Einladung des Strittmattervereins mit seinem neuen Werk „Erwin Strittmatter und der Krieg unserer Väter“ – zehn Jahre nach Erscheinen der Strittmatter-Biografie „Des Lebens Spiel“.
Er habe sich mitverantwortlich gefühlt, als im Sommer 2008 der Literaturwissenschaftler Werner Liersch dem toten Strittmatter vorwarf, als Schreiber des Polizei-Gebirgsjäger-Regiments 18 von Gräueltaten gewusst, aber dies nie öffentlich und deutlich gesagt zu haben.
Drommer widmet in „Des Lebens Spiel“ den „vier Etappen“, in die er Strittmatters Kriegsjahre einteilt, vier Seiten. „Ich fand Strittmatters Zusammenarbeit mit Brecht aufregender. Da war endlich jemand, der ihn literarisch weiterbrachte. Die ganze Entwicklung um den ,Wundertäter III‘, Kurt Hager, Moskau – das interessierte mich“, so Drommer. Jetzt hat er den Krieg auf über 200 Seiten nachgeholt. Hart reiht er Massaker aneinander, zitiert Täter, findet zu Opfern, erzählt von seinem Vater, schlägt den Bogen zu den deutschen Soldaten um Oberst Klein am 5. September 2009 in Kundus.
Ausführlich schreibt er über Strittmatter als Chemiearbeiter in der thüringischen Zellwolle in Schwarza. Das Werk sei „als ein SS-Musterbetrieb deklariert worden“. Die Karteikarte, die ein SS-Mann unterzeichnet hat und die Strittmatters Größe, Augenfarbe, Gesundheit und Religionszugehörigkeit enthält, schaute sich Drommer an. Sie weise „keineswegs mit Sicherheit“ nach, ob sich Strittmatter aus eigenem Antrieb oder aufgefordert den Fragen stellte, es Teil einer routinemäßigen Musterung war oder in einem ganz anderen Zusammenhang geschah.
Fakt sei, dass „Strittmatters Arbeitsverhältnis mit der Zellwolle am 20. Februar 1941 beendet ist und er vierzehn Tage später als Rekrut und Nichtmitglied der SS vor den Toren der Eilenburger Polizeikaserne“ stand. Mit einer Reihe von Dokumenten und mit Strittmatters Werk verfolgt Günther Drommer den Weg des Bataillons 325 und des Gebirgsjäger-Regiments 18.
Vieles bleibt Vermutung. Drommer hat sich den Namen der Malerin nicht aufgeschrieben, die ihm erzählte, dass Strittmatter auf der griechischen Insel Naxos unter den alten Bewohnern in freundlicher Erinnerung sein soll. Auch den Artikel, den Strittmatter in der Berliner Film- und Bildstelle über einen Partisanen-Überfall auf einen Eisenbahnzug geschrieben haben und der in der Krakauer Zeitung erschienen sein soll, fand er nicht. „Es wird noch vieles zu wissen geben“, so Drommer gegenüber den rund 60 Zuhörern. Doch er wolle es jetzt bei seiner Streitschrift belassen.
Annett Igel