Galsan Tschinag in Bohsdorf – Bericht aus der Lausitzer Rundschau vom 07. Mai 2009 von Annett Igel
Bohsdorf „Erwin Strittmatter war der größte Schriftsteller, den die DDR hatte.“ Davon ist Galsan Tschinag überzeugt. Er selbst war 24 Jahre alt und saß vor seiner Diplomarbeit „Über das Tragische im Werk von Erwin Strittmatter“, als er nach Schulzenhof eingeladen wurde. Strittmatter ermutigte Tschinag damals, Erzählungen zu schreiben und verhalf ihm zur ersten Veröffentlichung. Am gestrigen Mittwoch besuchte Tschinag erstmals den „Laden“ in Bohsdorf.
Galsan Tschinag mag Museen nicht. Das gab er aber erst ziemlich am Ende seines Besuches in Bohsdorf zu. Höflich hatte er sich zuvor von Ranghild Pannusch, der Tochter Heinrich Strittmatters, durch die Räume des „Ladens“ führen lassen. Er erkannte die Schrift Erwin Strittmatters wieder, lobte den alten Medizinschrank und staunte über die vielen Brotmulden in der Backstube. „Strittmatters müssen reich gewesen sein. Da, wo ich herkomme, ist man glücklich, nur einen solchen Trog zu besitzen, in dem dann auch alles gemacht wird.“ Keine Frage, Galsan Tschinag hat nicht aufgehört zu staunen. So wie er über sein erstes Wasserklosett im Leipziger Studentenheim gestaunt hatte, staunte er später über Strittmatters Art zu sprechen und über den Whisky, mit dem er mit ihm auf die „Geburt des Erzählers“ Tschinag anstieß. „Beim ersten Treffen haben wir noch gar nicht über Literatur geredet, ich musste von den Pferden erzählen.
Er wollte wissen, was ich mache, wenn ein Pferd hinkt. Ich habe ihm das Lasso-Werfen gezeigt, und wir haben zusammen einen Huf geschnitten“, erzählte Galsan Tschinag der kleinen Runde der Mitglieder des Erwin-Strittmatter-Vereins um Dr. Manfred Schemel. Schließlich kam er auf Strittmatters jüngstem Sohn Jakob (geboren 1963) zu sprechen. „Ich war dabei, wie die Strittmatters dem Vierjährigen ein Fahrrad kauften. Wissen Sie, wer es zuerst ausprobiert hat? Erwin Strittmatter!“ Die Umstehenden warnten, das Fahrrad könne zusammenbrechen. Aber Strittmatter stellte klar, dass es dann auch nicht gekauft werde. Galsan Tschinag genoss es, die Stimme Strittmatters nachzuahmen. Er signierte seine Erzählbände, deren lyrische Sprache und kraftvolle Gestaltung der Figuren auch unter Strittmatter-Freunden geschätzt werden. Galsan Tsching hat Manfred Schemel für die Ausstellung eine Strittmatter-Übersetzung auf Mongolisch versprochen.Die Diskussion um Strittmatters militärische Vergangenheit habe er verfolgt. Aber er gebe nicht viel darauf, „denn ich habe miterlebt, wie so etwas aufgebauscht wird“, sagt Tschinag. Und schließlich zog er, der auch als Schamane unterwegs ist, einen kleinen Schutzgeist aus der Tasche, hielt ihn sich ans Herz und übergab ihn Manfred Schemel mit den Worten: „Die Hässlichkeiten werden vorübergehen.“ Strittmatter und sein Werk würden bleiben. „Ich kenne den alten Mann im Kreis seiner Familie. Er war sehr offen, hat nichts verheimlicht.“
Bericht von Annett Igel / Fotos von Martina Arlt