Wir erinnern uns am 14. August an einen großen ostdeutschen Romancier und Dichter, auf dessen Werke die kleine DDR stolz war (und ihn deshalb literarisch gewähren ließ), auf die unser Verein stolz sein kann und auf die seine Geburtsstadt Spremberg, in der Strittmatter seit 1988 Ehrenbürger ist, sehr stolz sein könnte.
Was mich vielmehr verwundert, dass die Spremberger die über fünf Jahre dauernde, 11.000 Euro kostende und nicht Neues bringende Recherche einfach so hinnehmen … Die Bürgermeisterin, Frau Herntier, versicherte mir kurz vor ihrer Wahl im persönlichen Gespräch, dass sie dem Spremberger Ehrenbürger positiv gegenüber stehe. Nun muss man wieder abwarten, was sich im Tale der Spree tut.
Alle, die Strittmatters Literatur und seine Tagebücher gelesen haben, wissen, wie er über die Kriegsschuld seiner Generation und über Kriege dachte. Er hat es auf seine Weise verarbeitet. Selbst Annette Leo sagte in einem Zeitungsinterview, dass man einem Schriftsteller nicht vorschreiben könne, was er zu s c h r e i b e n habe. Der Literaturwissenschaftler Professor Gansel gab während einer Gesprächsrunde im Cottbuser Theater 2012 dazu folgende Erklärung: Strittmatter habe nur das geschrieben, sich nur an das erinnert, was das Ich stärkt, er habe wohl nicht die Form gefunden, über diese schrecklichen Ereignisse zu schreiben. Vielleicht, wenn ihm noch mehr Lebenszeit geblieben wäre …? Daniiel Granin schrieb seinen Stalingrad-Roman auch erst mit über neunzig Jahren,weil es vorher nicht vermochte.
Ich empfehle den Spiegel-Artikel vom 15. Juli 2017 des Militärhistorikers Sönke Neitzel mit m.E. vielen richtigen Erkenntnissen zu Rassismus-, Antisemitismus- und Militarismusgedankengut von heute in der Bundeswehr geehrten Widerstandskämpfern. „Keiner ging aus dem Zweiten Weltkrieg weiß hervor. Es geht um Grautöne: Bei … ist es ein helles Grau, bei anderen ein dunkles Grau. Und wir sollten diese Grautöne zulassen.“
Immer wieder höre ich, dass man alles aus der DDR-Kultur versucht platt zu machen bzw. zu delegitimieren. Ist das wirklich so? Warum tut sich die Brandenburgische Regierung mit dem aus Forst stammenden Dr. Dietmar Woidke so schwer, Erwin Strittmatter öffentlich (wieder) zu würdigen? Er wird doch die Werke kennen?
Erwin Strittmatter selbst war kein großer Freund von Geburtstagsfeiern. Zu seinem 70. Geburtstag schreibt er 1982 in sein Tagebuch: „Nun treibt es den alten Mann immer mehr auf seinen siebzigsten Geburtstag zu. Freilich hätte er flüchten können, aber dann hätte er viele Fragen und Stunden mit Gratulanten versitzen müssen.“ Kurz vor seinem 75. Geburtstag hält er im Tagebuch fest: „Jetzt fange ich an, mich vor den Geburtstagsfeierlichkeiten zu fürchten, je mehr sich Tag und Stunde nähern, desto eifriger.“
Wir lassen es uns dennoch nicht nehmen, ihn im August 2017 mit einer kleinen Veranstaltung auf dem Laden-Hof, seiner „zweiten Heimat“ – Schulzenhof nannte er seine erste Heimat – zu würdigen. Dazu haben wir uns den Schauspieler, Erzähler, Schriftsteller und bekennenden Strittmatter-Freund Michael Becker mit seinem Erwin-und Eva-Strittmatter-Programm eingeladen. Ein Kurzfilm „Mücke am Blatt“- ein fiktiver Dialog zwischen Enkelin und Großvater mit Texten u.a. aus Strittmatters „Selbstermunterungen“ des ehemaligen ZDF-Kameramannes Peter Moschall – wird auch Premiere haben und soll vor allem junge Leser für Strittmatters Literatur aufschließen. Seine Nichte Klara Kantor, die Hauptfigur, hat schon während der Dreharbeiten ihr Interesse an seiner Literatur entdeckt.
Renate Brucke