Archivpräsentation in der Akademie der Künste

Mittwoch
2. April 2014, 20 Uhr

Eintritt € 5/3

Pariser Platz Plenarsaal

Archivpräsentation

Allein, Allein, – die Stille singt.
Eva und Erwin Strittmatter

Mit den Nachlässen von Erwin Strittmatter (1912-1994) und Eva Strittmatter (1930-2011) konnte die Akademie der Künste mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder zwei herausragende Autorenarchive erwerben. Anlässlich der ersten Präsentation beider Archive wird – nach der einführenden Begrüßung durch den Archivdirektor Wolfgang Trautwein und dem Grußwort von Isabel Pfeiffer – Poensgen, Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder – Sigrid Damm aus ihren Erinnerungen zu Eva und Erwin Strittmatter sprechen. Ton- und Filmdokumente, u. a. Schmalfilmaufnahmen aus Schulzenhof (1957-1971) sowie Auszüge der Lesung Eva und Erwin Strittmatters in der “Stunde der Akademie” (1988), vergegenwärtigen beide Autoren.
Erste Einblicke in die überlieferte Fülle und Dichte der Werk- und Lebenszeugnisse, die 90 Regalmeter umfassen, gibt vor der Archivierung eine Vitrinenpräsentation. Sie öffnet ein Fenster in die Archive des in ca. 40 Sprachen übersetzten Epikers sowie der meistveröffentlichten deutschsprachigen Gegenwartslyrikerin.

Archivfenster
(Vitrinenpräsentation)
Akademie der Künste
Pariser Platz 4, Brücke
2. April – 30. Juni 2014
täglich 10-22 Uhr
Eintritt frei

Arbeitseinsatz auf dem Strittmatter-Anwesen in Bohsdorf

Am Sonnabend, dem 15. März 2014, fand auf dem Strittmatter-Anwesen in Bohsdorf ein Arbeitseinsatz statt. Die im Herbst übernommene Sammlung des „Ochsenkutschers“ wurde thematisch sortiert und an den entsprechenden Ausstellungsorten untergebracht. Die Kuh Viktoria lenkt also neben dem Aufgang zum Heuboden die Blicke auf sich genauso wie der Pferdewagen in der Remise.
Da es dem Verein gelungen ist, die Fotografien von Edith Rimkus-Beseler zum Alltag der Strittmatters in Schulzenhof zu erwerben, fanden diese bei gleicher Gelegenheit nunmehr als bleibende Ausstellung in der Scheune ihren endgültigen Platz.

Gertraude Friedrich

Wie aus Bäckern Schriftsteller wurden

Artikel aus der LR vom 03. Februar von Torsten Richter zu unserer Mitgliederversammlung

Bohsdorf „War je ein Bäcker ein wirklicher Schriftsteller gewesen?“ – Diese provokante Frage hat Literaturwissenschaftler Ullrich Kaufmann beantwortet. Der Thüringer präsentierte dem Strittmatter-Verein in Bohsdorf Ergebnisse seiner jüngsten Nachforschungen.

Was haben Erwin Strittmatter (1912 – 1994) und Oskar Maria Graf (1894 – 1967) gemeinsam? Beide sind überregional bekannte Schriftsteller. Und Bäcker. Während der Lausitzer Strittmatter im Bohsdorfer Familienbetrieb von der Pieke auf lernte, wie Brötchen gebacken werden, arbeitete der Bayer Graf im Unternehmen seines Vaters ebenfalls in der Backstube. Erst später widmeten sich beide der schöngeistigen Literatur.
Der Thüringer Gymnasiallehrer Dr. Ullrich Kaufmann hat die Biografien der beiden Autoren verglichen und interessante Entdeckungen getätigt. Diese präsentierte er während eines Vortrages vor knapp 50 Mitgliedern des Strittmatter-Vereins.
Um es vorwegzunehmen: Erwin Strittmatter und Oskar Maria Graf sind sich Zeit ihres Lebens nie persönlich begegnet. „Und dennoch verbinden die beiden Schriftsteller mehrere Gemeinsamkeiten“, hat Kaufmann herausgefunden. Beispielsweise ihre Liebe für Kalendergeschichten. Oder ihre Bekanntschaft zum Dramatiker Bertolt Brecht. Die Verehrung des russischen Schriftstellers Lew Tolstoi. Und ohnehin die Liebe zu verschiedenen Regionen der Sowjetunion, beispielsweise Georgiens.
Dennoch handelte es sich laut Kaufmann um völlig unterschiedliche Charaktere. Während sich Erwin Strittmatter gegenüber den politischen Machthabern eher kompromissbereit präsentierte, stand Oskar Maria Graf für eine klare politische Linie. Daraus resultiert eines seiner bekanntesten Werke „Verbrennt mich“ unter dem Eindruck der Bücherverbrennung in Deutschland im Mai 1933.
Allerdings, so hat Pädagoge, Germanist und Historiker Kaufmann herausgefunden, verläuft bezüglich beider Autoren noch immer eine Trennlinie durch das literarische Deutschland. Während Graf im Osten weitgehend unbekannt ist, ergeht es Strittmatter an Rhein und Donau ebenso. Selbst in Kaufmanns thüringischer Heimat wusste die Mehrzahl seiner Schüler mit dem Namen Erwin Strittmatters so gut wie nichts anzufangen. Allerdings half die Pferdeliebe des berühmtesten Bohsdorfers zumindest bei mehreren Schülerinnen, das Eis zu brechen. Kein Wunder, dass Strittmatters Werk „Pony Pedro“ von den Jugendlichen regelrecht verschlungen wurde.
Darüber hinaus ließ Kaufmann eine Ausstellung über den Pferdenarren vom Schulzenhof anfertigen. Diese soll, so kündigte er an, demnächst auch in Bohsdorf präsentiert werden.
Einen kleinen, aber feinen Unterschied zwischen den schreibenden Bäckergesellen gibt es aber doch noch: Denn das Ladengeschäft in Grafs Heimat am Starnberger See ist bis heute in Betrieb. In Bohsdorf ist der Duft nach frischem Brot dagegen dem musealen Flair gewichen. Immerhin: Strittmatter und Graf hätten bewiesen, dass selbst jemand, der anfangs nur kleine Brötchen bäckt, durchaus Weltliteratur schreiben kann, resümierte Ullrich Kaufmann. Im Übrigen trifft diese Feststellung nicht nur auf den Lausitzer und den Bayern zu, sondern auf eine Reihe weiterer Autoren. Der bekannteste dürfte der sowjetische Schriftsteller Maxim Gorki (1868 – 1936) sein. Der war neben seinen Tätigkeiten als Lumpensammler, Vogelhändler und Maurer ebenfalls als Bäckergeselle tätig.

Dichter und Pferdemann von Matthias Stark

Dichter und Pferdemann
von Matthias Stark

Am 31. Januar jährt sich nun bereits zum zwanzigsten Mal der Todestag von Erwin Strittmatter. Der in Ostdeutschland zu den bekanntesten Autoren gehörende Schriftsteller vollendete an diesem Tag sein bewegtes Leben. Der noch im Kaiserreich im Jahr 1912 in Spremberg geborene Strittmatter wurde geprägt durch seine Niederlausitzer Heimat, die er poetisierte, er er- und durchlebte Zeiten voller Brüche und Widersprüche.
Strittmatter war ein junger Mann zur Zeit des Dritten Reiches, er war „im besten Alter“ als die DDR gegründet wurde, mit deren Grundsätzen er sich anfangs identifizieren konnte und er war ein betagter Herr, als diese DDR aufhörte zu existieren. Immer und immer wieder war er, wie Millionen andere auch, gezwungen, mit den sich ändernden Verhältnissen klar zu kommen, das persönliche Leben in einer Zeit der Umwälzungen zu gestalten und zu führen. Und seit der Offenlegung seiner Rolle im Zweiten Weltkrieg wissen wir, dass Strittmatter seine Biografie, wenn man wohlmeinend urteilt, zumindest geschönt hat. So mancher hält es aber schon für Lüge und Betrug, dass sich der ostdeutsche Autor seinem Millionenpublikum nie wirklich offenbarte, wenn es um die Zeit von 1933 bis 1945 ging. Wir, seine Leser, nahmen ihm seine literarischen Darstellungen dieser Zeit ab, wohl deshalb, weil wir sie aus dem „Wundertäter“ oder aus der Erzählung „Grüner Juni“ zu kennen glaubten.
Und doch hat die Bereitschaft, sich auf das literarische Werk von Erwin Strittmatter einzulassen seither nicht abgenommen. Im Gegenteil, Strittmatter wird auch von Lesern geschätzt, welche die Zeit seiner größten Erfolge nie selbst erlebt haben, die schon zu den Nachgeborenen zählen und die DDR nicht aus eigenem Erleben kennen. Was aber ist der Grund dafür, dass Erwin Strittmatter weiterhin gelesen wird, er geehrt und sich weiterhin mit ihm auseinandergesetzt wird? Ich denke, wir schätzen den Autor nicht wegen der Brüche in seinem Leben sondern trotz dieser. Neben der unbestrittenen literarischen Qualität seiner Bücher ist es vor allem auch seine Biografie, das Hin und Her, Auf und Ab seines Lebens, was die Faszination der Person Strittmatter ausmacht. Die Beschäftigung mit Leben und Werk von Erwin Strittmatter führt unweigerlich zu vielen Erkenntnissen über geschichtliche Zusammenhänge.
Wir wissen heute aus den Veröffentlichungen zu seiner Person recht gut, wie sich Erwin Strittmatter im Laufe seines Lebens verhalten hat, was er tat oder nicht tat, wie er handelte oder wo Handlung unterblieb und so mancher zieht daraus den Schluss, dass Strittmatter ein Rosstäuscher war, der die Wertschätzung seiner Person nicht verdient, die er erhält. Aber ist dem so? Welcher Mensch hat in seinem Leben immer wahrhaftig und ehrlich gehandelt, stets mit größer Offenheit alles gesagt, nichts verschwiegen und nie um eines Vorteils willen auch nur ein wenig an der Wahrheit herumgeschraubt? Warum wird vom Schriftsteller Erwin Strittmatter ein hoher Grad an Aufrichtigkeit verlangt, welcher für jeden anderen Mitmenschen, nun sagen wir, nicht ganz so streng gilt? Man wird mir antworten: Weil Strittmatter durch seine Bekanntheit und seine Beliebtheit zu einer moralischen Instanz heranwuchs, weil er Vorbild war für so manchen östlich der Elbe. Und dennoch begeht man einen Fehler, wenn man das Höchstmaß an Ehrlichkeit ausgerechnet bei einem Dichter vermutet, einem Autor von Romanen und Erzählungen, der ja geradezu angewiesen ist auf seine Fantasie und sich seine Welten stets selber zu bauen pflegt. Es gab und gibt ja so manchen Literaten, über dem man kübelweise Schmutz ausgeschüttet hat und dessen Werk trotzdem fest in der Brandung steht, weil es einfach zu groß ist, als das sich die Kleingeister daran versuchen könnten. Was Strittmatter gewiss nicht war, ist ein offener Widerständler gegen die herrschenden Verhältnisse, weder vor noch nach 1945. Er war viel eher ein Opportunist, einer der sich, zwar teilweise recht kritisch, aber nie kämpferisch mit den herrschenden Verhältnissen auseinandersetzte und dann doch irgendwie arrangierte. Und damit ist er ganz einfach so, wie die ganz, ganz große Mehrheit von uns allen!
Machen wir uns nichts vor: Zu Fehlschlüssen kommt leicht, wer im warmen Heute über Verhalten, Taten und Entscheidungen urteilt, die jemand in rauer und kalter Winternacht durchzuführen und zu treffen sich gezwungen sah. Was wissen wir, die wir gottlob in, zumindest persönlichen, Friedenszeiten leben dürfen, über die Qualen und Hintergründe, die sich zu Handlungen auswuchsen in harten und schweren Jahren. Wir sollten gnädig urteilen über die Generation unserer Großväter und Urgroßvater, die sich verlaufen konnten im Dschungel der Ideologien und zu Mitläufern wurden in die eine, die andere oder gar aller möglichen Richtungen.
Was an Strittmatter aber den Leser seiner Bücher immer noch fasziniert, ist die großartige Poetisierung des Alltags. Er führte an der Seite seiner dritten Frau Eva, einer der auflagenstärksten Lyrikerinnen, ein Leben, welches für DDR-Verhältnisse weit jenseits des Alltäglichen lag. In der ländlichen Idylle von Schulzenhof bei Dollgow fanden sowohl Erwin wie auch Eva das Sujet für die literarische Arbeit, hier lebten sie mit Pferden, kleiner Landwirtschaft und „kelterten zu Poesie“ (der Ausdruck findet sich im Werk beider mehrfach), was ihnen widerfuhr. Zu den großen Widersprüchen gehört dabei, dass ihre Kinder unter den Launen, Schnurren und Wutausbrüchen ihres Vaters litten und sie wenig von dieser Poesie kosten konnten, die wir, ihre Leser, so bewundern. Die Strittmatters waren geachtet und geschätzt, fest in das literarische Leben in der DDR integriert und führten doch ein Leben, das außerhalb des im Osten Üblichen stand. Das machte und macht den Reiz aus, der von beiden Autoren bis heute ausgeht.
Strittmatter war ein „Pferdemann“, er lernte bereits früh vom Großvater alle Tricks und Kniffe der Pferdeleute. Er züchtetet selbst und hatte so ein, wie man heute sagen würde, zweites Standbein neben seiner literarischen Arbeit. Und auch daraus entstand Literatur, die noch heute Gültigkeit besitzt und auch in moderner Zeit ihre literarische Kraft entfaltet. Sein „Pony Pedro“ begleitet viele Menschen seit Jahrzehnten. Das große Alterswerk Strittmatters jedoch, die Romantrilogie „Der Laden“, bleibt mit seiner Wortmächtigkeit und Handlungsfülle ein immer wieder neu zu entdeckendes Universum an Poesie, dichterischer Stärke und Lebensweisheit.
Was können wir nun von Strittmatter für das eigene Leben lernen? Das Opportunismus seine Grenzen hat? Das kritische Hinterfragen aller Dinge oberstes Gebot ist? Das man aufrichtig und ehrlich seinen Lebensweg beschreiten muss? Das man seine Familie nicht hinter seine Arbeit stellen sollte? Vielleicht ist es dies alles, vielleicht ist es aber nur die ganz profane Wahrheit, dass auch Dichter und andere Künstler, selbst wenn sie zu den ganz Großen zählen, immer und zuallererst Menschen sind, Menschen mit allen Fehlbarkeiten, die eben auch den großen Geistern eigen ist.
Strittmatter wird unvergessen bleiben!

Autor: Matthias Stark,
www.stark-stolpen.de

Das 7. Literaturcafé

An diesem Nachmittag standen nicht die Werke von Erwin im Mittelpunkt unseres Interesses, sondern Gedichte und Geschichten von Eva Strittmatter.
Das Thema interessierte nicht nur die Mitglieder des Vereins, Gäste aus Kamenz, Löbau und Görlitz kamen spontan, nachdem sie aus der Zeitung von unserer Veranstaltung erfahren hatten.
Die inhaltliche Gestaltung des Nachmittags teilten sich dieses Mal verschiedene Akteure. Sie sprachen über ganz persönliche Eindrücke beim Lesen der Gedichte und trugen dann auch die Gedichte vor, die ihnen besonders gefielen.
Auf ganz unterschiedliche Weise haben unsere Gäste zu den Gedichten von Eva Strittmatter gefunden. Für Hanni Dillan sind Evas Gedichte ein ständiger Begleiter im Alltag. Sehr persönlich sprach sie davon, wie die Gedichte ihr in bestimmten Lebenssituationen Kraft und Mut gegeben haben.
Auch für Matthias Stark ist der Gedichtband von Eva Strittmatter immer in greifbarer Nähe. Ihre Fähigkeit eine Reimform zu finden, die eher unauffällig, ja dezent wirkt, hat ihn beeindruckt.
Peter Stempien berichtete über seine Kontakte zu Eva, über den Besuch bei ihr in Schulzenhof und den regelmäßigen Briefverkehr. Ganz besonders stolz ist er über einen Sonderdruck ihres Gedichtes „Signale“, der ihm aus ihrem Nachlass von Jakob geschenkt wurde.

Immer wieder machte das Buch von Eva „Für meine Schulzenhof-Freunde“ die Runde. Und jeder, der Schulzenhof erlebt hat, bestätigte, dass viele ihrer Gedichte dort nacherlebbar wurden.
Ich übertreibe bestimmt nicht, wenn ich sage:
31 Schulzenhof-Freunde hatten einen tollen Nachmittag!

Heidemarlen Polzin

Unser langjähriges Mitglied Ute Kobelt machte uns auf einen Artikel der Zeitschrift "Sprachnachrichten" III/2013 aufmerksam, die herausgegeben wird vom Verein für Deutsche Sprache eV.

Unser langjähriges Mitglied Ute Kobelt machte uns auf einen Artikel der Zeitschrift „Sprachnachrichten“ III/2013 aufmerksam, die herausgegeben wird vom Verein für Deutsche Sprache eV. Unter der Rubrik SCHÖNES DEUTSCH erscheinen regelmäßig Schriftsteller, die dem Leser etwas zu erzählen haben.
Diesmal also Erwin Strittmatter, dem der Autor im Jahr 2013 eine bemerkenswerte positive Einschätzung widmet. Darüber freuen wir uns. Vielleicht wird so mancher der mehr als 36.000 weltweiten Mitglieder dieser Gesellschaft auf den Autor neugierig!
Im Folgenden die vom Verein genehmigte Einführung des Redakteurs Gerd Schrammen. (VDS-Geschäftsstelle info@vds-ev.de)

Das Dorf heißt Bossdom und liegt in jener Südostecke Deutschlands, neben Polen und oberhalb von Tschechien, von der ich nicht viel weiß. Es gibt ein Kohlebergwerk, eine Glasfabrik, kargen Ackerbau
und eine Heide, auf der krumme Birken wachsen. Die Gegend heißt Niederlausitz.
Dort spielt Erwin Strittmatters Roman Der Laden. Er geht von der Kaiserzeit bis in die Jahre nach 1945. Es ist eine rauhe Welt. Eltern und Großeltern streiten sich um Darlehen und Zinsen. Väter haben Wutanfälle und schmeißen Tassen kaputt. Der Müller zerhackt die Mandoline seines Sohnes mit der Axt.
In der Schule prügelt der Lehrer, und die Knaben üben sich darin, einen harten Ursch zu bekommen. Bisweilen liegt der Schulmeister über den Pulten der ersten Reihe und schläft einen Rausch aus. Dann müssen die Schüler sich die letzten Neuigkeiten aus dem Dorfleben erzählen. Aber leise, um den ruhenden Pädagogen nicht zu wecken.
Die Bewohner überwachen einander – wie das auf dem Dorf üblich ist. Wer vom ausgetretenen Pfad abweicht, erntet Missbilligung, selten auch Bewunderung. Das Motorrad des Onkels wird bestaunt. Eifrige Späherin ist die Großmutter. Sie sieht manches, wenn sie zu Miste geht. Den Vater, wenn er mit der Hausmagd Hanka in der Scheune verschwindet. Die ist hübsch, hat auch Liebesgefühle im Onkel geweckt und spielt Hasenküsse mit dem Knaben Esau.
Esau Matt beobachtet Menschen und Dorfleben, die Natur, den Himmel und die Sterne. Er macht sich Gedanken über alles, was er sieht, und versucht zu verstehen, was fremd ist und unergründlich scheint. Ein neuer Lehrer entdeckt die Begabung des Jungen und sorgt dafür, dass er nach Grodk auf die hoche Schule kommt. Esau erlebt den ersten großen Liebeskummer, und so weiter.
Das alles ist tiefe Provinz, in die indessen die großen Weltereignisse hineinragen. Im Ersten Weltkrieg
war der Vater Bursche eines Generals. Dem musste er jeden Morgen die Bartbinde umtun. Während der Inflation gehen die Bauern zur Naturalwirtschaft über. Nach 1933 spielen die Schüler mit hölzernen Waffen und marschieren im Gleichschritt durch die Kleinstadt. Ein Junge beschimpft einen Mitschüler als Kommunistenschwein. Ein Mann, der eigentlich Schickelgruber heißt – der Erzähler nennt ihn auch Adolf von Linz – wird als Genie bewundert. Wenig später sterben die Männer in Russland, werden an der Kanalküste verwundet oder in Sibirien festgehalten. Nach 1945 bäckt Heinrich Matt Brote für die Soldaten der Roten Armee. Und langsam bildet sich ein neuer Staat heraus, der sich DDR nennen wird.
Der Charme dieses Romans über das kleine Dorf und die große Welt liegt in der Ehrlichkeit des Erzählers, der Freundlichkeit gegenüber jeder seiner Romangestalten und seinem Humor. Das gut entwickelte Triebleben der Bauern schildert er verständnisvoll und unverklemmt, bisweilen belustigt, aber ohne Lüsternheit. Pfarrer Kokosch vergisst mit der Leiterin einer Privatschule das Sechste Gebot. Das ist ein zweifacher Sturz von ehrwürdiger Höhe ins Schwach-Menschliche – und komisch. Hat die Lehrerin den Pastor verführt oder der die Sägebocken?, fragen sich die Dorfbewohner.
Wer was für Sprache übrig hat, wird reich belohnt. Zwischen Sorbisch, Niederschlesisch und Hochdeutsch bahnen die Figuren sich ihren Weg. Die Mutter, die bis spät in die Nacht Frauenzeitschriften liest, sieht auf korrekte Rede und sagt Glauben mir Se’s oder spricht von ihrem Loaden. Mit wehen Füßen steht sie hinter der Theke und verkauft Heringe, Kunsthonig und poarchen von die neien Zigarrn. Sie hat Freundinnen, das sind die Kumpankas. Im Dorf gibt es eine Hintenrumsche und einen Groadezuen. Christine sagt ni für „nicht“ und oo für „auch“. Das ist Schlesisch. Ein Kamerad, der mit dem Bruder aus der Gefangenschaft in Italien zurückkommt, sagt sulche und wull für „solche“ und „wohl“. Das ist Sudetendeutsch.
Mit Der Laden hat Erwin Strittmatter einen Text über sich selbst geschrieben. Strittmatter ist in Bohsdorf aufgewachsen. Von dort ist es nicht weit zum fiktiven Bossdom. Er hat das Bäckerhandwerk gelernt und in Spremberg das Gymnasium besucht. Das ist Grodk auf Sorbisch. Der Laden der Mutter wurde 1999, fünf Jahre nach Strittmatters Tod, zur musealen Gedenkstätte ausgebaut. In den Regalfächern steht ein Persilkarton von einst. Ein paar haltbar gemachte Brote liegen daneben. Und auf
der Verkaufstheke steht die alte Waage mit den Entenschnäbeln.
Der unten abgedruckte Text handelt von Esau Matts schwierigem Verhältnis zu Frauen. Er liebt die Gemeindeschwester Christine. Unter einer Birke, auf einem von der Sonne aufgeheizten Stein wartet er auf sie. Aber aus dieser Liebe kann nichts werden. Nicht nur wegen Nona, der Mutter seines Kindes, die sich störend aus Thüringen meldet.

Gerd Schrammen

Artikel aus der LR vom 16. Oktober von Catrin Würz

Ochsenkutscher-Museum zieht um
Die Sammlung aus Jerischke geht auf Reisen zu Strittmatters „Laden“ in Bohsdorf

Bohsdorf/Jerischke Alte hölzerne Leiterwagen, Ochsengeschirr, bäuerliches Gerät und sogar eine Kuh aus Plastik – ein ganzes Museum ist am Dienstag von Jerischke aus ins 15 Kilometer entfernt gelegene Bohsdorf umgezogen. Im „Laden“ des Erwin-Strittmatter-Vereins soll die „Ochsenkutscher“-Sammlung der Familie Krechlock einen neuen würdigen Platz bekommen.

Ein wenig wehmütig schaut Alfred Krechlock dem voll beladenen Abschleppwagen und dem Transporter mit dem Anhänger hinterher. Auf den beiden Fahrzeugen rollen zahllose alte Gerätschaften, Erinnerungs- und Sammlerstücke davon. „Das meiste habe ich in den vergangenen 30 Jahren zusammengetragen“, erzählt der 79-Jährige.
Mit viel Herzblut hatten er und seine Frau Carla ein richtiges kleines Privatmuseum rund um den einstigen Beruf des Ochsenkutschers und über die Landwirtschaft vor der Technisierung aufgebaut. Das kam nicht von ungefähr: Denn nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Alfred Krechlock bei einem Großbauern im Kreis Luckau selbst sein Brot als Ochsenkutscher verdient. „Und im Roman von Strittmatter ist dieses bäuerliche Leben so lebendig und treffend beschrieben, das hat mich beeindruckt und motiviert, ebenfalls darüber etwas zu erzählen“, sagt er.
2006 eröffneten die Krechlocks mithilfe von europäischen Fördergeldern ihr kleines Ochsenkutscher-Museum, das direkt am Fürst-Pückler-Radwanderweg gelegen war. Mehrere Hundert Besucher schauten sich zuletzt alljährlich auf dem kleinen Anwesen mit dem 300 Jahre alten, denkmalgeschützten Schrotholz-Bauernhaus um. Doch aus Alters- und Gesundheitsgründen muss das Ehepaar, das in Cottbus lebt, den öffentlichen Museumsbetrieb jetzt aufgeben und bot dem Bohsdorfer Erwin-Strittmatter-Verein die komplette Sammlung als Schenkung an. „Unsere Entscheidung war schnell klar: Das passt zu uns“, sagte die Bohsdorfer Vereinsvorsitzende Renate Brucke. Schließlich hatte Strittmatter seinen ersten Roman „Ochsenkutscher“ im Jahr 1950 noch in der elterlichen Backstube in Bohsdorf verfasst, wo jetzt der Verein seit vielen Jahren das kleine Museum „Der Laden“ betreibt. „Die Ochsenkutscher-Exponate aus Jerischke kehren damit irgendwie auch an den Ursprung des Romans zurück“, so Renate Brucke. Inzwischen gibt es in Bohsdorf auch schon einen Platz, wo die Sammlung neu aufgebaut werden soll. In den vergangenen Monaten hat der Verein Stall und Scheune des Strittmatterschen Bauerngehöfts innen saniert und zu einem Veranstaltungsraum umgebaut. „In diesem Raum wollen wir mit Ausstellungsstücken aus Jerischke den Roman „Ochsenkutscher“ in den Mittelpunkt rücken“, sagt Renate Brucke.
Am gestrigen Dienstag wurden deshalb die freiwilligen Helfer zusammengetrommelt, um beim Umzug von einem ins andere Museum zu helfen. Die großen Leiterwagen und die lebensgroße Kuh aus Kunststoff nahm ein Fahrzeug des Döberner Autoservice Prohaska huckepack. Viele kleinere Exponate rollten dagegen auf einem Autohänger mit. „Oh je, das sind so viele Stücke: Jetzt müssen wir erstmal schauen, wie wir das bei uns ansprechend präsentieren können“, so die Vereinsvorsitzende.

   

Unser Hoffest am 17. Augsut 2013

Ich freute mich riesig auf den Samstag, viel Mühe hatten wir in die Vorbereitung investiert.
Ein aufgeschnappter Satz aus einem Gespräch beim Bäcker in Döbern:
„Am Samstag kann ich nicht, da fahren wir alle zum Strittmatterfest nach Bohsdorf.“ bestätigte mir, das Hoffest war für viele Menschen in und um Bohsdorf ein fester Termin an diesem Wochenende.
So fanden über 100 Gäste am Samstagmittag den Weg zu den Strittmatters. Auf der Dorfstraße reihte sich Auto an Auto. Viele Besucher aus der Umgebung kamen mit dem Rad, sogar der Weg von Forst oder Weißwasser war ihnen nicht zu weit.

Die Fotoausstellung in der neu ausgebauten Scheune stieß auf große Resonanz. Die Künstlerin Edith Rimkus-Beseler fotografierte Eva und Erwin Strittmatter in ihrem Alltag in Schulzenhof und gewährte uns so ganz neue Einblicke.
Der Wanderführer Wolfgang Grätz erkundete dann mit rund 50 Interessierten den Muskauer Faltenbogen auf Strittmatters Spuren.
Um 15.00 Uhr war der Dresdner Autor Rudolf Scholz mit seinem musikalisch-literarischen Programm an der Reihe. Er begeisterte die Zuhörer nicht nur mit seinen Geschichten, sondern auch mit seinen Liedern und forderte alle Gäste zum Mitsingen auf.
Eine Freude war es auch den Kindergartenkindern bei ihrem Theaterstück zuzusehen. Erstaunlich mit wie viel Begeisterung sie an diesem Nachmittag zu kleinen Schauspielern wurden.
Zur guten Stimmung auf dem Hof trugen neben dem tollen Wetter auch die gute Versorgung und die vielen angeregten Gespräche mit Gleichgesinnten bei.
Und das Resümee des Tages? Eine Forsterin brachte es auf den Punkt. „ Erwin hätte das heute hier gefallen, er hätte sich bei uns wohl gefühlt.“

H. Polzin

3. Hof-Fest in Bohsdorf am 17. August

12.00 Uhr Eröffnung der Fotoausstellung „Schulzenhofer Impressionen“ von Edith Rimkus-Beseler
12.30 Uhr 10 Jahre Altbergbautour im Muskauer Faltenbogen – Auf den Spuren Erwin Strittmatters durch ehemaliges Bergbaugelände mit Wolfgang Grätz (ca. 6 km)
14.00 Uhr Kita „Wirbelwind“ mit Gesang und einem kleinen Theaterstück „Bei der Feuerwehr wird der Kaffee kalt“
15.00 Uhr Musikalisch-literarisches Programm „Mein lieber Herr Gesangsverein“ mit dem Schriftsteller Rudolf Scholz/Dresden

  • Klaus Nikolaus‘ Dokumentationen in „Unter Eechen“
  • Glücksrad, Spiele, Kulinarische

Strittmatter-Lesung am 11. August 2013 in Dollgow

Flug in die Poesie Gedanken – Gedichte – Geschichten von Eva und Erwin Strittmatter Eine sommerliche Lesung mit Günther H. W. Preuße und Jaspar Libuda (Kontrabass)

Sonntag, 11. August 2013 » 15 Uhr
Eintritt 10/ ermäßigt 8 Euro
Seeligs Gasthaus, Dorfstraße 47, 16775 Dollgow
Kartenvorverkauf: Seeligs Gasthaus, Tel. 033082/5020 4, info@seeligs-gasthaus.de
Büchertisch mit Strittmatter-Literatur der Luisenbuchhandlung Gransee

Die Personen:
Günther H. W. Preuße – Der Autor und Biograf aus Wandlitz zählt zu jenen, denen Eva Strittmatter noch in ihren letzten Jahren freundschaftliche Nähe  gewährte. Anlässlich ihres 80. Geburtstages geriet sein Buch „Als Eva 8 war“ (Edition Zwiefach) zu einem besonderen Geschenk für die Dichterin.

Neben dem eigenen literarischen Schaffen sieht Preusse es als eine Pflicht jedes Schreibers, das Werk der „Großen“ durch Lesungen lebendig zu halten und weiter durch die Zeit zu tragen.

Dem Dollgower Publikum ist Preusse durch seine Lesungen und vor allem durch die kongeniale Moderation des Katharina-Thalbach-Auftritts während des literarischen Wochenendes aus Anlass des 100. Geburtstages von Erwin Strittmatter im vergangenen Jahr bekannt.

Jaspar Libuda – Der Berliner Kontrabassist und Komponist bringt das gewaltige Streichinstrument zum Singen. Gezupft und mit Bogen , von den tiefsten zu den höchsten Tönen, verführt er seine Zuhörer in eine Klangwelt aus Licht und Schatten. Gemeinsamer Auftritt mit Günther H. W. Preusse 2012 im Kulturgutshaus Köpernitz.