Weihnachten 1991 schreibt Strittmatter in sein Tagebuch: „Ich fange an, mir abgeneigt zu sein.“
Von etlichen Krankheiten gezeichnet, ist er bestrebt, sein Manuskript zum Laden III fertigzustellen. „Noch nie habe ich mit solcher Muße geschrieben wie gegenwärtig.“, stellt er im Februar 1992 fest. Er fühlt, er muss sich beeilen, die Kräfte lassen immer mehr nach. Und er erlebt in seinen letzten Lebensjahren noch so viel Zuspruch und Anerkennung, er ist verwirrt von den vielfältigen Eindrücken, aber zufrieden.
Ob er mit dem Verein, der seinen Namen trägt, auch zufrieden wäre? Hätte er Kritisches anzumerken? Manchmal denke ich, ein kluger Rat wäre hilfreich. Seit mehr als zwanzig Jahren gibt es den Verein und das Museum mit immer größer werdenden Ausstellungsflächen in der Bohsdorfer Dorfstraße 35. Ja, es kommen noch Besucher, aber es werden merklich weniger. Es gibt auch noch Schulklassen, die sich für den Laden und ihn interessieren. Aber, ob sie seine Bücher lesen? Das treibt mich um, ängstigt mich, man könnte seine Literatur vergessen. So werden einige seine Werke schon nicht mehr aufgelegt und wir müssen im Internet-Antiquariat suchen.
Ein kleiner Funke Hoffnung ist unser Literaturwettbewerb „Alltag im Wort“, zu dem fast 400 Autoren aus 14 Ländern Beiträge einreichten. Vielen schriftstellerisch Tätigen wird der Name Erwin Strittmatter bis dahin nichts gesagt haben. Nun hoffe ich, dass sie sich erkundigen, ausleihen, lesen und erstaunt feststellen: Was für eine wunderbare, sprachlich meisterhafte einzigartige Literatur! Zeitlos und nicht unbedingt an einen Ort gebunden, so wie es der Regisseur und Filmemacher Jo Baier bei seinen Recherchen für die Fernsehtrilogie DER LADEN bemerkte. Sie werden vielleicht den Laden in Bohsdorf besuchen … Spätestens am 31. August 2019 bei der feierlichen Bekanntgabe der Preisträger und der Aushändigung der Anthologie mit den besten Wettbewerbstexten erfahren wir es, wenn sich die eingeladenen Autoren aus Österreich, Italien, der Schweiz und, und in Spremberg und Bohsdorf treffen. Dann haben wir erneut eine Etappe der Ehrung Strittmatters gemeistert, frei nach Brechts Teppichwebern von Kujan-Bulak: … und ehrten ihn, indem sie sich nützten …
Eva Strittmatter, im Tagebuch die Liebliche genannt, pflegte Erwin bis zum 31. Januar 1994 aufopferungsvoll – 17 Jahre später am 3. Januar 2011 stirbt auch sie. Am 8. Februar wäre sie 89 Jahre alt geworden.
Hermann Kant, Freund der Familie, behauptete, Erwin konnte dahin kommen, wohin er gekommen ist, WEIL es Eva so lange für ihn gab. Und Eva ist dahin gekommen, wo sie hingekommen ist, nicht zuletzt auch, OBWOHL es Erwin gab. Sie hat ihm mehr zugeteilt als sich … Beide Dichter liegen auf dem kleinen Waldfriedhof ganz in der Nähe ihres Hauses in Schulzenhof.
Wir gedenken beider.
Renate Brucke